LAV Magazin 2020

D ie Kameraaufnahme fliegt über dicht bewaldete Flächen hinweg, fängt einen bewe- gungslos verharrenden Frosch ein, späht über die Schulter einer kochen- den Frau, schlängelt sich durch den Regenwald bis zu einer bläulich schim- mernden Wasserstelle. Dann verdun- kelt sich der Bildschirm, der magische Moment ist vorbei – vom mittelame- rikanischen Dschungel zurück in die Realität in weniger als zwei Minuten. Da s Video au f der Website des Unter- nehmens travel-to-nature GmbH lässt nur erahnen, welche Naturwunder die Gäste der „La Tigra Rainforest Lodge“ in Costa Rica hautnah erleben dürfen. Hautnah, aber doch mit dem erforder- lichen Abstand, denn entsprechend der Reisephilosophie des Geschäftsführers Rainer Stoll soll die Natur zwar erlebt, aber unter keinen Umständen gefähr- det werden. Der Naturliebhaber und Artenschutzaktivist bezeichnet sich selbst als „Vorreiter im nachhaltigen Tourismus“, ihm kommt es vor allem darauf an, dass „die Wertschöpfung im Land bleibt, nachhaltig gereist wird, lo- kale Initiativen gestärkt und geschützt werden und der lokalen Bevölkerung durch den Tourismus Einnahmen ver- schafft werden“. Auf Grundlage die- ser Unternehmensvision organisiert und plant travel-to-nature nicht nur nachhaltige Reisen für seine Kunden, in Zusammenarbeit mit lokalen Part- nern wurde auch die ökologische Un- terkunft „La Tigra Rainforest Lodge“ vor Ort aufgebaut. Die Idee dahinter: Reisende die Vielfalt des Urwaldes achtsam erleben lassen. Um dahin zu kommen, musste Stoll aber erst einmal selbst aktiv werden, denn die für das Projekt erworbene 8,5 Hektar große Fläche war zum Zeitpunkt des Kaufs durch travel-to-nature seit mehr als 20 Jahren nicht mehr bewaldet ge- wesen. Stattdessen war sie vor allem durch pestizidintensive Pflanzenzucht genutzt worden und die Artenvielfalt durch Wilderei stark zusammenge- schrumpft. Die Aufforstung verlief so erfolgreich, dass die Flächenkapazität schnell erschöpft war. 23 weitere Hekt- ar, die an die Projektfläche angrenzten und zuvor durch eine Maracujaplan- tage genutzt wurden, wurden hinzu- gekauft. „Für dessen Nutzung haben wir gemeinsam mit der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) das Projekt ‚Reserva Bosque de Tigra‘ ins Leben gerufen. Hier geht es nicht ums Geld verdienen, sondern um den Artenschutz und die Unterstüt- zung der Einheimischen“, betont Stoll. Neben der Aufforstung der Fläche mit einheimischen Pflanzen, die neuen Lebensraum für heimische Tierarten schafft, bauen GIZ, travel-to-nature und der lokale Partner Cerro de Oro S.A. ein Umweltbildungszentrum auf. Hier können sich Touristen, Schülerin- nen und Schüler sowie Anwohner über das Ökosystem Regenwald und dessen Schutz weiterbilden und informieren. Gleichzeitig werden Reiseleiterinnen und Reiseleiter ausgebildet und zerti- fiziert, der Schwerpunkt liegt selbst- verständlich auf Ökotourismus und Umweltmanagement. „Gerade Frauen aus der Region schulen wir darin, wie zusätzliche Einnahmen aus Tourismus erzielt werden können. Wir machen uns quasi selbst Konkurrenz“, erklärt Rainer Stoll augenzwinkernd. Die fachliche und finanzielle Unter- stützung des Projektes durch die GIZ wurde im Rahmen einer develoPPP.de- Partnerschaft des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ermöglicht. Mit dem develoPPP.de-Programm fördert das BMZ das Engagement der Privatwirtschaft dort, wo unternehme- rische Chancen und entwicklungspo- litischer Handlungsbedarf zusammen- treffen. Über die letzten 20 Jahre sind so nicht nur neue Kooperationsformen zwischen öffentlichem und privatem Sektor entstanden, auch langjährige Partnerschaften zwischen deutschen und lokalen Unternehmen haben sich entwickelt. Der Mehrwert, den dies für alle Beteiligten bietet, wird beson- ders in Zeiten deutlich, in denen es gemeinsamer Lösungen bedarf – wie etwa während der aktuellen Covid- 19-Pandemie: „Die Ticos [Einwohner Costa Ricas, Anm. d. Red.] sind immer etwas besser drauf als wir Deutschen. Die haben das Motto pura vida einfach in ihren Genen“, stellt Stoll fest. Doch auch mittelamerikanische Leichtigkeit täuscht nicht über die schwerwiegen- den Auswirkungen der Pandemie für die lokale Bevölkerung Camp, Costa Rica, © travel-to-nature GmbH Zwischen pura vida und Existenzängsten – Gemeinsam mit der Wirtschaft die Krise in Lateinamerika und der Karibik nachhaltig überwinden 30 Agentur für Wirtschaft & Entwicklung - AWE

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