LAV Magazin 2020

D as Linden-Museum Stuttgart ist eines der großen ethnologischen Museen Europas. Benannt nach seinem Gründer Karl Graf von Linden, wurde es 1911 eröffnet. Die Sammlung umfasst rund 160.000 Objekte vom all- täglichen Gebrauchsgegenstand bis zum Spitzenobjekt von internationalem Rang aus den Bereichen Afrika, Islamischer Ori- ent, Süd-, Südost- und Ostasien, Ozeanien sowie Nord- und Lateinamerika. Im Bereich Lateinamerika besitzt das Linden-Museum eine der bedeutendsten Sammlungen Europas. Sie setzt sich sowohl aus archäologischen als auch ethnographi- schen Objekten zusammen und erstreckt sich von der frühen präkolumbischen Zeit bis in die Gegenwart. Die Schwerpunkte liegen in Teilen Südamerikas wie dem zent- ralenAndengebiet, die heutigenRepubliken Peru und Bolivien umfassend, Amazonien mit besonderen Sammlungen aus dem ko- lumbianischen Tiefland und der Region des Rio Xingú in Brasilien. Süd-Chile ist mit Silberschmuck, Holzobjekten und Textilien der Mapuche vertreten, auch dies ein En- semble von großem historischem Wert, da sie diewohl älteste Sammlung inEuropa aus dieser Region darstellt. In den letzten 23 Jahren hat das damals neu geschaffene Referat durch Dauerausstellun- gen zum Thema Peru und Bolivien sowie TeilendesAmazonasgebietesLateinamerika amLinden-Museumetabliert. Darüber hin- aus wurden zahlreiche Sonderausstellungen konzipiert und durchgeführt, um den Be- suchern unsere hervorragenden Bestände zu präsentieren. Hierzu zählen „Die Woll- bilder der Huichol“ (1997), „Mais, das Brot der Maya“, „Es spuckt in den Anden. Kul- tur und Geschichten rund um das Lama“ (2001; mit Broschüre), „Amazonas-India- ner“ (2002; mit Katalog), „Textilien aus Peru – Die Sammlung Seltmann“ (2005), „El Chaco: Paraguay und die Europäer“ (2006), „Roadmovie La Paz“ (2009), Beteiligung an der gemeinsamen Sonderausstellung „Welt- sichten“ (2011; mit Katalog) und schließlich „Maya-Code“ (2012; mit Katalog). VomLa- teinamerika-Referat wurden eigenständig zwei Große Landesausstellungen durchge- führt: im Jahre 2013 „Inka-Könige der An- den“ (mit Katalog) und 2019 „Azteken“ (mit Katalog in Deutsch und Englisch). Zu der Großen Landesausstellung „Inka- Könige der Anden“ konnte das Linden- Museum selbst annähernd die Hälfte der insgesamt ungefähr 260 Objekte aus eige- nen Beständen beisteuern. Durch unseren Schwerpunkt auf dem zentralen Anden- raum besitzen wir sehr wertvolle Objekte aus der Moche-, der Chimú- und nicht zu- letzt der Inka-Kultur. Berühmt sind unsere beiden Totentücher aus der Paracas- und Nasca-Kultur. Die Große Landesausstellung „Azteken“ hingegen wurde bis auf wenige Einzel- stücke aus fremden Beständen gestaltet. Mit zu den wichtigsten und auch optisch spektakulärsten Objekten der Ausstellung gehören die beiden Federschilde und eine Grünsteinfigur, die sich in der Kunstkam- mer des Landesmuseums Württemberg in Stuttgart befinden. Die Azteken-Ausstel- lung versucht ein umfassendes Bild dieser Kultur zu vermitteln und vor allem, die von den spanischen Eroberern niedergeschrie- benen und stets weitergeführten Klischees der menschenverachtenden Opferkultur in Frage zu stellen und in den Kontext der aztekischen Kultur einzubetten. Die Aus- stellung betrachtet die Azteken als ein Tri- butimperium, dem es durch seine Erobe- rungen im Laufe nur weniger Jahrzehnte vor allem darauf ankam, Tribute aus den eroberten Provinzen für die aztekische Hauptstadt Tenochtitlan zu generieren. Die Besucher*innen werden, den Tributen fol- gend, von der Peripherie des aztekischen Imperiums in sein innerstes Zentrum ge- führt, dem sakralen Bezirk mit dem Huei Teocalli, dem Templo Mayor. Auf diese Weise werden, begleitet durch zahlreiche spektakuläre Objekte und eine sehr anspre- chende Gestaltung, die Opferungen als Tri- bute an die Götter und Ahnen interpretiert. Die Ausstellung wurde gemeinsam mit dem Nationaalmuseum van Wereldcul- turen (Niederlande) konzipiert und ist ab Federtunika mit typischem Inka-Treppenmotiv am Ausschnitt. Rechts und links Darstellungen von Pumas. Inka-Kultur, imperiale Phase, 15.-16. Jh. n.Chr.; Inv.Nr.119195, Foto: Anatol Dreyer Modul 5 „Tenochtitlan, Hauptstadt der Azteken“ in der Großen Landesausstellung „Azteken“, Linden-Museum Stuttgart, vom 12. Oktober 2019 bis 16. August 2020. Foto: Mike Binz Zukunft durch das Bewahren der Vergangenheit – Lateinamerika im Museum 42 Linden-Museum Stuttgart

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