LAV Magazin 2021

A m 4. November, dem Grün- dungstag der Hamburg Süd, eröffnet das Internationa- le Maritime Museum Hamburg eine Sonderausstellung zum 150-jährigen Bestehen des Unternehmens. Gezeigt werden Schiffsmodelle, Gemälde und Plakate sowie viele Exponate, die noch nie öffentlich präsentiert wur- den. Ermöglicht wird diese Sonderausstel- lung, die bis Mitte September 2022 auf Deck Zwei gezeigt wird, durch die Förderung der Dr. August Oetker KG, Bielefeld. Die Hamburg Süd befand sich mehr als acht Jahrzehnte, bis zu ihrem Verkauf Ende 2017 an die dä- nische Maersk Gruppe, im Besitz der Familie Oetker. Am 4. November 1871 um 11.30 Uhr fanden sich die Repräsentanten elf angesehener Hamburger Handels- häuser bei einem Hamburger Notar zusammen, um die Hamburg-Süd- amerikanische Dampfschifffahrts- Gesellschaft als Aktiengesellschaft zu gründen. Zweck der neuen Schiff- fahrtsgesellschaft, so hieß es in der Urkunde, sei: „die Herstellung und Unterhaltung einer regelmäßigen Schiffsverbindung zwischen Ham- burg und Brasilien sowie den La Pla- ta-Staaten". Das Startkapital reichte aus, um drei Dampfer von der Hamburg-Brazilian Steamship Company zu erwerben. Mit diesen Schiffen wurde ein monat- licher Dienst von Hamburg nach Rio de Janeiro, Bahia und Santos eröffnet. 1888 hatte die Hamburg Süd für die brasilianische Wirtschaft bereits eine derartige Bedeutung erreicht, dass Kaiser Dom Pedro II. von Brasilien, der Reederei in einem Sondervertrag Bewegungs- und weitgehende Hand- lungsfreiheit in allen brasilianischen Gewässern zusicherte - ein völker- rechtlich einzigartiger Vorgang zwi- schen einem Staatsoberhaupt und ei- nem privaten Unternehmen. Von Anfang an setzte die Hamburg Süd auf die kombinierte Beförderung von Ladung und Passagieren. Nach- dem der Schwerpunkt während der ersten drei Jahrzehnte auf dem Waren- transport lag, war in den kommenden Jahren mit einer starken Ausweitung des Passagierverkehrs nach Südameri- ka zu rechnen. Zunächst waren es Sai- sonarbeiter aus Spanien und Portugal, die eigens zur Kaffeeernte nach Bra- silien übersetzten, dann auch zuneh- mend Auswanderer aus Deutschland. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde auf neue Art gereist. Luxushotels, wie das legendäre „Ritz” in Paris oder das „Atlantic" in Hamburg, boten ihren verwöhnten Gästen jeglichen Kom- fort. Adäquates erwarteten die zah- lungskräftigen Kunden auch auf ihren Schiffsreisen. Größe und Ausstattung der Schiffe wurden auch für die Ver- bindungen nach Südamerika zum Verkaufsargument. 1906 lief die „Cap Vilano" vom Stapel, ein Jahr später die „Cap Arcona I". Beide Schiffe rangier- ten schnell unter den Spitzenschiffen in der La Plata-Fahrt. So begann das Zeitalter der großen „Cap“-Schnelldampfer, die fast aus- schließlich auf die Beförderung von Passagieren ausgerichtet waren. Die Hamburg Süd entschloss sich zwi- schen 1910 und 1914 zum Bau von drei noch größeren Schiffen. Mit der „Cap Finisterre” stellte sie im Novem- ber 1911 das internationale Flagg- schiff in der Südamerika-Fahrt. Die Schwesterschiffe „Cap Trafalgar“ und „Cap Polonio", kamen wegen des Aus- bruchs des Ersten Weltkrieges nicht mehr zum Einsatz. Nach dem Krieg mussten alle deutschen Reeder wieder bei Null anfangen. So nahm die Hamburg Süd 1920 mit drei kleineren Segelschonern und Charterschiffen ihre Tätigkeit wieder auf. Bereits zwei Jahre später läutete sie mit der Feuerlandreise der „Cap Polonio" die glanzvolle Ära der Ham- burg Süd-Kreuzfahrten ein. Die „Cap Polonio“ war zu dieser Zeit das lu- xuriöseste und größte Schiff auf der Südatlantik-Route. Im November 1924 trat die „Monte Sarmiento" als erstes Passagierschiff der Hamburg Süd mit Dieselantrieb und als größtes Motorschiff der Welt ihre Jungfernreise nach dem La Pla- ta an. Ihr folgte kurze Zeit später die „Monte Olivia". Das wohl berühmteste Schiff der Ree- derei-Geschichte, die „Cap Arcona II", wurde am 19. November 1927 als neues Flaggschiff der Passagierflot- te in Dienst gestellt. Es war weder an Leistung noch an Luxus gespart wor- den. Der Südatlantik hatte seine neue „Königin“. Der "Schwarze Freitag", der 1929 in die Geschichte einging, beendete den steilen Aufstieg. Die Aktien der gro- ßen Reedereien wurden 1934 dem Deutschen Reich übertragen und durch eine Reorganisation wurden die einzelnen Fahrtgebiete unter den Ree- dereien aufgeteilt. Der Hamburg Süd wurde der Dienst zur Ostküste Süd- amerikas übertragen. Bei der Reprivatisierung 1936 gingen die Aktien der Hamburg Süd an die Vereinsbank Hamburg. Von dort über- nahm 1936 Dr. Richard Kaselowsky, Stiefvater von Rudolf August Oetker ein 25prozentiges Aktienpaket. Seine Beteiligung und sein unternehmeri- scher Einfluss trugen maßgeblich zur Weiterentwicklung des Unternehmens bei. Der Zweite Weltkrieg war für die Hamburg Süd, wie für alle deutschen Reedereien, eine noch größere Katas- trophe als der Erste Weltkrieg – wie- der verlor sie ihre komplette Flotte. Ein besonders tragisches Schicksal ereilte dabei die „Cap Arcona II". Sie wurde am 3. Mai 1945 mit fast 5.000 KZ-Häftlingen an Bord von britischen Jagdbombern in der Neustädter Bucht versenkt. 1950 begann der Wiederaufbau. Auf Initiative von Rudolf August Oetker, der 1942 als 26-Jähriger in den Auf- sichtsrat der Hamburg Süd berufen wurde, bestellte die Reederei 1950 vier moderne Motorschiffe der so ge- nannten „Santa“-Klasse. Neben der Wiederaufnahme des Liniendienstes zwischen Europa und der südame- rikanischen Ostküste brachte dieses Jahr auch eine weitere Veränderung. Die Hamburg Süd wurde von einer Aktiengesellschaft in eine Komman- ditgesellschaft umgewandelt. Die Fir- ma Dr. August Oetker beteiligte sich mit 49,40 Prozent. 1952 dehnte sie unter dem Namen Rudolf A. Oetker KG (RAO) ihre Akti- vitäten auch auf den Trampbereich aus. Marshall-Plan und Wirtschafts- wunder ließen die junge Bundesre- publik gedeihen und auch bei der Hamburg Süd folgte eine schnelle Expansion. 1955 war ein richtungs- weisendes Jahr. Rudolf August Oetker vereinigte sämtliche Kommandit-Ein- lagen auf die OHG Dr. August Oetker. Im gleichen Jahr wurde der Dienst zur Ostküste Südamerikas wieder aufge- nommen. In der Kühlschifffahrt fuh- ren ab 1958 die „Cap Domingo“ und die „Cap Corrientes" für die Reede- rei. Dazu kamen 1964 die „Polarlicht" und „Polarstern" sowie die Schiffe der „Polar“-Länderklasse. Im Jahr 1957 stellte die Hamburg Süd mit dem Tanker © Hamburg Süd, Die Gründungsurkunde der Hamburg Süd vom 6. November 1871 © Hamburg Süd, Die „Cap Polonio“ im Hamburger Hafen © Hamburg Süd, Die "Cap Arcona II“ auslaufend aus Hamburg Hamburg Süd – 150 Jahre auf den Weltmeeren 44 45 Internationales Maritimes Museum Hamburg

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